Die EU hat im Mai 2024 ein umfassendes Reformpaket gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verabschiedet, dass die Compliance-Landschaft für Steuerberater grundsätzlich verändert. Ab dem 10. Juli 2027 gelten mit der Anti-Money-Laundering Regulation (AMLR 2024/1624), der 6. Geldwäscherichtlinie (AMLD6) und der Einrichtung der neuen Anti-Money-Laundering Authority (AMLA), mit Sitz in Frankfurt am Main, einheitliche, direkt anwendbare Vorgaben in allen Mitgliedstaaten. Der bisherige Flickenteppich aus 27 nationalen Interpretationen gehört der Vergangenheit an – von Helsinki bis Lissabon gelten künftig identische Standards. Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer markiert dies einen regulatorischen Wendepunkt mit weitreichenden Konsequenzen.
Verschärfte Sorgfaltspflichten:
Die AMLR etabliert eine verpflichtende dreistufige Governance-Struktur:
Die AMLR fordert den verpflichtenden Einsatz digitaler Lösungen für Identitätsprüfung, Sanktionslisten-abgleich und Transaktionsüber-wachung. Video-Ident-Verfahren werden zum Standard, Algorithmen-basierte Systeme zur Mustererkennung zur Regel. Der explizit erlaubte Einsatz von KI-Systemen unterliegt strengen Transparenz- und Nachvollziehbar-keitsanforderungen.
Das Sanktionsregime orientiert sich an der DSGVO: Bei schweren Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro oder 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes – je nachdem, was höher ist. Compliance Manager und Officer können mit Berufsverboten bzw. Tätigkeits-einschränkungen belegt werden; Namen werden öffentlich gemacht.
Die AMLA wird zur zentralen europäischen Aufsichtsbehörde, die Standards setzt, nationale Behörden koordiniert und die risikoreichsten Finanzinstitute direkt beaufsichtigt. Ein EU-weites Register erfasst alle Verstöße und Sanktionen – wer einmal auffällig wurde, steht unter verschärfter Beobachtung.
Die neuen EU-AML-Regeln stellen Steuerberater vor immense Herausforderungen, bieten aber auch Chancen zur Profilierung als vertrauenswürdige Gatekeeper des Finanzsystems. Der Erfolg hängt entscheidend vom Timing ab: Wer jetzt mit der Umsetzung beginnt, kann die Transformation strukturiert bewältigen. Wer wartet, riskiert nicht nur empfindliche, ggf. existenzbedrohende Sanktionen, sondern auch den Verlust von Mandanten und Reputation. Die AMLR macht aus einer regulatorischen Pflicht eine strategische Notwendigkeit – und für vorausschauende Kanzleien einen Wettbewerbsvorteil.
Die EU-Kommission schätzt, dass jährlich hunderte Milliarden Euro an illegalen Geldern durch das europäische Finanzsystem geschleust werden. Diese Summen entstammen nicht nur dem klassischen Drogenhandel oder der organisierten Kriminalität. Steuerhinterziehung, Korruption, Cyber-Betrug und zunehmend auch Umweltkriminalität speisen diesen Schattenkreislauf. Die Panama Papers, die Pandora Papers und zuletzt die FinCEN-Files haben gezeigt: Das Problem ist systemisch, die Methoden werden raffinierter, und die traditionellen Kontrollmechanismen greifen zu kurz.
Steuerberater operieren dabei an einer neuralgischen Schnittstelle des Wirtschaftslebens. Sie strukturieren Unternehmen, begleiten Fusionen, optimieren Steuerlasten und navigieren ihre Mandanten durch das Dickicht internationaler Regelwerke. Was für legitime Unternehmer ein unverzichtbarer Service ist, wird für Kriminelle zur perfekten Tarnung. Eine Briefkastenfirma in Malta, eine Holding in Luxemburg, ein Trust auf den Kanalinseln – all das lässt sich sowohl für legale Steueroptimierung als auch für die Verschleierung illegaler Gelder nutzen. Die Grenze zwischen clever und kriminell verläuft oft im Millimeterbereich.
Der europäische Gesetzgeber hat diese Gemengelage längst erkannt. Seit der ersten Geldwäscherichtlinie von 1991 wurden die Maschen des Netzes kontinuierlich enger gezogen. Doch die bisherigen fünf Richtlinien hatten einen entscheidenden Konstruktionsfehler: Sie mussten von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, was zu einem regulatorischen Flickenteppich führte. Ein deutscher Steuerberater unterlag anderen Pflichten als sein französischer Kollege, und wer die Schwachstellen kannte, konnte sie gezielt ausnutzen.
Mit dem am 31. Mai 2024 verabschiedeten "AML-Paket" vollzieht die EU einen Paradigmenwechsel. Das Herzstück bildet die Anti-Money-Laundering Regulation (AMLR) – eine Verordnung, die ab dem 10. Juli 2027 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt. Der Unterschied zur bisherigen Praxis könnte größer nicht sein: Wo früher 27 nationale Interpretationen möglich waren, gilt künftig ein einheitlicher Standard von Helsinki bis Lissabon.
Die AMLR wird flankiert von der 6. Geldwäscherichtlinie (AMLD6), die den institutionellen Rahmen vorgibt, und der Gründung der Anti-Money-Laundering Authority (AMLA). Diese neue Superbehörde soll das werden, was der Geldwäschebekämpfung bislang fehlte: eine zentrale, schlagkräftige Instanz mit direkten Durchgriffsrechten.
Die Systematik dahinter ist durchdacht: Die AMLR schafft das materielle Recht – was muss getan werden? Die AMLD6 regelt das formelle Recht – wer kontrolliert und sanktioniert? Die AMLA fungiert als operativer Arm, der nicht nur koordiniert, sondern bei systemrelevanten Fällen auch selbst eingreift. Für Hochrisiko-Finanzinstitute wird die AMLA sogar zur direkten Aufsichtsbehörde, während sie bei anderen Verpflichteten – einschließlich der Steuerberater – die nationalen Aufsichtsbehörden unterstützt und deren Arbeit harmonisiert.
Diese Architektur ist kein Zufall, sondern die Antwort auf jahrelange Kritik. Der Europäische Rechnungshof hatte wiederholt bemängelt, dass die fragmentierte Aufsicht Schlupflöcher schafft. Die Financial Action Task Force (FATF) stufte mehrere EU-Staaten in ihren Evaluierungen herab. Und nicht zuletzt zeigten Skandale wie der Zusammenbruch der Danske Bank oder die Enthüllungen um die maltesischen Golden-Visa-Programme, dass nationale Alleingänge in einer globalisierten Finanzwelt nicht mehr funktionieren.
Die AMLR definiert präzise, wer in die Pflicht genommen wird – und die Liste liest sich wie ein Who's Who der Wirtschaft. Neben den klassischen Akteuren des Finanzsektors (Banken, Versicherungen, Investmentfonds) und den freien Berufen (Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) rücken neue Branchen in den Fokus.
Krypto-Dienstleister werden vollständig in die Pflicht genommen – nicht nur Exchanges und Wallet-Provider, sondern auch DeFi-Protokolle und NFT-Plattformen, sofern sie einen EU-Bezug haben. Die Immobilienbranche wird über die Makler hinaus ausgeweitet: Auch Projektentwickler und größere Vermieter fallen unter bestimmten Voraussetzungen in den Anwendungsbereich. Der Kunsthandel wird ab einem Transaktionswert von 10.000 Euro verpflichtet, unabhängig davon, ob es sich um Gemälde, Skulpturen oder digitale Kunst handelt. Selbst Fußballvereine müssen bei Spielertransfers künftig AML-Standards einhalten – eine Reaktion auf die undurchsichtigen Geldflüsse im internationalen Transfergeschäft.
Für Steuerberater besonders relevant ist die Präzisierung ihrer eigenen Verpflichtungen. Die AMLR unterscheidet zwischen verschiedenen Tätigkeitsfeldern: Während die reine Erstellung von Steuererklärungen weiterhin privilegiert bleibt, fallen praktisch alle beratenden Tätigkeiten mit Gestaltungscharakter unter die Regelung. Dazu gehören Unternehmensumstrukturierungen, die Gründung von Gesellschaften, die Verwaltung von Treuhandkonten, grenzüberschreitende Steuerplanungen und die Beratung bei M&A-Transaktionen. Die Sonderregelung für rein deklaratorische Tätigkeiten wird damit zur "absoluten" Ausnahme – der Regelfall ist die Verpflichtung.
Die AMLR macht Ernst mit der Professionalisierung der Geldwäscheprävention. Artikel 11 der Verordnung schreibt eine dreistufige Governance-Struktur vor, die selbst für größere Kanzleien eine Herausforderung darstellt.
An der Spitze steht der Compliance Manager – ein Mitglied der Geschäftsführung oder des Partnerkreises, das die strategische Verantwortung für AML trägt. Diese Person muss nicht nur das AML-Management verantworten, sondern auch sicherstellen, dass ausreichende Ressourcen bereitgestellt werden. Die persönliche Haftung ist dabei keine leere Drohung: Bei systematischen Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes oder 10 Millionen Euro – je nachdem, was höher ist.
Die operative Ebene bildet der Compliance Officer, auch als AML-Manager bezeichnet. Diese Position muss hierarchisch so angesiedelt sein, dass sie unabhängig agieren kann – ein direkter Draht zur Geschäftsführung ist Pflicht. Compliance Officers sind Dreh- und Angelpunkt des jeweiligen Systems: Sie führen die Risikoanalysen durch, überwachen die laufenden Mandate, entscheiden über Verdachtsmeldungen und fungieren als Ansprechpartner für die Behörden.
Als dritte Säule fordert die AMLR eine unabhängige Prüfungsfunktion. Diese interne Audit-Funktion muss regelmäßig – mindestens jährlich – die Wirksamkeit der AML-Maßnahmen überprüfen. Für kleinere Kanzleien sieht die Verordnung die Möglichkeit vor, diese Funktion auszulagern, allerdings nur an spezialisierte Dienstleister, die selbst keinen Interessenkonflikt darstellen.
Die praktischen Implikationen sind erheblich. Eine mittelständische Kanzlei muss künftig mindestens zwei bis drei Personen abstellen, die sich schwerpunktmäßig mit AML befassen. Die Kosten dafür – Gehälter, Schulungen, Systeme – erreichen schnell erhebliche Beträge pro Jahr. Für Einzelkanzleien und kleine Bürogemeinschaften kann die Erfüllung dieser Anforderungen durchaus zur Existenzfrage werden.
Die Sorgfaltspflichten bei der Kundenprüfung werden nicht nur verschärft, sondern auch systematisiert. Man kann sie als ein vierstufiges System lesen, das je nach Risikoprofil des Mandanten greift.
Als UBO gilt künftig, wer direkt oder indirekt 25 Prozent oder mehr der Anteile oder Stimmrechte hält. Die kleine, aber feine Änderung von "mehr als 25 Prozent" zu "25 Prozent oder mehr" bringt zahlreiche Grenzfälle in den Anwendungsbereich. Bei Hochrisiko-Konstellationen kann die EU-Kommission die Schwelle per Durchführungsrechtsakt auf 15 Prozent oder darunter absenken – eine Regelung, die besonders bei Mandanten mit Bezug zu Sanktionsländern relevant werden dürfte.
Die Kaskade der Prüfschritte ist komplex: Zunächst müssen alle direkten Anteilseigner identifiziert werden. Dann folgt die Durchdringung der Beteiligungsketten – bei mehrstufigen Strukturen eine Herkulesaufgabe. Besonders herausfordernd sind Konstrukte mit Trusts, Stiftungen oder anderen Vehikeln, bei denen die Kontrolle nicht über Anteile, sondern über andere Mechanismen ausgeübt wird. Hier müssen Steuerberater alle Personen identifizieren, die faktisch Einfluss ausüben können: Treugeber, Begünstigte, Protektoren, Trustverwalter.
Die AMLR führt zudem eine Beweislastumkehr ein: Kann der wirtschaftlich Berechtigte nicht zweifelsfrei ermittelt werden, muss dies ausführlich dokumentiert und begründet werden. Ein schlichtes "UBO unbekannt" reicht nicht mehr aus. Stattdessen muss nachgewiesen werden, welche Schritte unternommen wurden, welche Quellen man konsultierte und warum die Ermittlung ggf. erfolglos blieb. In solchen Fällen gilt dann das gesamte Leitungsorgan des Mandanten als wirtschaftlich Berechtigter – mit allen damit verbundenen Prüfpflichten.
Der Kreis der politisch exponierten Personen (PEPs) wird deutlich erweitert. Während bisher vor allem die oberste Führungsetage im Fokus stand, erfasst die AMLR nun auch die regionale und lokale Ebene.
Zu den PEPs zählen künftig nicht nur Staatschefs, Minister und Parlamentsabgeordnete, sondern auch lokale Mandatsträger, Vorstandsmitglieder staatlicher Unternehmen, hochrangige Militärs und Richter an obersten Gerichten. Die Familienangehörigen – Ehepartner, Kinder und neuerdings auch Geschwister bestimmter Funktionsträger – fallen ebenfalls unter die Definition. Gleiches gilt für "enge Geschäftspartner", wobei die AMLR hier bewusst eine weite Begriffsauslegung wählt.
Für Steuerberater bedeutet dies einen enormen Prüfaufwand. Bei jedem neuen Mandanten und regelmäßig bei Bestandsmandanten muss der PEP-Status abgefragt werden. Die bloße Selbstauskunft reicht dabei nicht aus – es bedarf einer Plausibilisierung anhand externer Quellen. Kommerzielle PEP-Datenbanken werden damit zum Pflichtinstrument, wobei deren Qualität und Aktualität selbst wieder überprüft werden muss.
Die AMLR zieht einen Schlussstrich unter die Ära großer Bargeldtransaktionen. Das EU-weite Limit von 10.000 Euro für Bargeldgeschäfte ist dabei nur die Obergrenze – Mitgliedstaaten dürfen niedrigere Schwellen festlegen.
Für Steuerberater ergeben sich daraus neue Beratungsfelder und Pflichten. Sie müssen ihre Mandanten aktiv auf die Grenzen hinweisen und alternative Zahlungswege aufzeigen. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen wird es komplex: Welche Grenze gilt, wenn ein deutscher Unternehmer in Polen bar bezahlt? Die AMLR folgt hier dem Territorialprinzip – maßgeblich ist der Ort der Transaktion.
Besonders betroffen sind bargeldintensive Branchen wie Gastronomie, Einzelhandel oder Handwerk. Hier müssen Steuerberater nicht nur beraten, sondern auch überwachen. Stellt sich heraus, dass ein Mandant systematisch die Bargeldgrenzen umgeht – etwa durch Stückelung von Zahlungen –, muss dies als Verdachtsfall gemeldet werden.
Besonders kritisch sind die neuen Regeln für Auslagerungen. Während bislang viele Kanzleien bestimmte Aufgaben, wie den Abgleich mit Sanktionslisten, an externe Dienstleister delegierten, setzt die AMLR nun klare Grenzen: Kritische AML-Aufgaben dürfen nicht mehr ausgelagert werden. Damit steigt die Notwendigkeit, eigene Systeme vorzuhalten – ein erheblicher organisatorischer und finanzieller Aufwand.
Die AMLR ist erkennbar für das digitale Zeitalter geschrieben. Sie fordert nicht nur den Einsatz von Technologie, sondern macht ihn in vielen Bereichen zur Pflicht.
Die Identitätsprüfung muss künftig elektronisch erfolgen, sofern der Mandant nicht persönlich erscheint. Video-Ident-Verfahren werden zum Standard, wobei die AMLR strenge Anforderungen an die Sicherheit stellt. Die Echtheit von Dokumenten muss durch technische Verfahren überprüft werden – das bloße Einscannen eines Ausweises reicht nicht mehr aus.
Die Transaktionsüberwachung soll durch Algorithmen-basierte Systeme erfolgen, die ungewöhnliche Muster erkennen. Für Steuerberater bedeutet dies, dass sie Zugang zu den Konten ihrer Mandanten benötigen oder zumindest regelmäßige Reportings erhalten müssen. Die AMLR spricht hier von "technology-neutral", d. h. technologieneutralen Anforderungen, macht aber klar, dass manuelle Prozesse nur noch in Ausnahmefällen akzeptabel sind.
Besonders innovativ ist der Ansatz bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Die AMLR erlaubt explizit den Einsatz von KI-Systemen für die Risikoanalyse und Mustererkennung, stellt aber gleichzeitig Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Algorithmen müssen dokumentiert, ihre Entscheidungen begründbar und ihre Ergebnisse überprüfbar sein. Die Black-Box-KI hat in der Geldwäscheprävention keinen Platz.
Die Qualität der Verdachtsmeldungen rückt stärker in den Fokus. Nationale FIUs (Financial Intelligence Units) und künftig auch die AMLA erwarten Berichte, die nicht nur vollständig und fristgerecht, sondern auch nachvollziehbar begründet sind. Für Kanzleien bedeutet dies, dass sie interne Prozesse und Checklisten entwickeln müssen, die eine saubere Dokumentation und Eskalation sicherstellen.
Die Meldepflicht bei Geldwäscheverdacht kollidiert mit dem Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Die AMLR verschärft hier die Anforderungen: Die Schwelle für Meldungen wird gesenkt, die Fristen verkürzt, die Anforderungen an die Qualität erhöht. Gleichzeitig gilt weiterhin das Tipping-off-Verbot – der Mandant darf nicht über die Meldung informiert werden.
Das Sanktionsregime der AMLD6 lässt keinen Zweifel: Die Zeiten symbolischer Strafen sind vorbei. Die Bußgeldrahmen orientieren sich an der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und können existenzbedrohend sein.
Bei schweren Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 10 Millionen Euro oder 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes im Vorjahr – je nachdem, was höher ist. Für eine mittelständische Kanzlei mit 5 Millionen Euro Jahresumsatz bedeutet dies ein maximales Bußgeld von 10 Millionen Euro, also das Doppelte des Jahresumsatzes.
Neben den finanziellen Sanktionen sieht die AMLR auch persönliche Konsequenzen vor. Compliance Manager und Officer können mit erheblichen Tätigkeitseinschränkungen bis hin zu Berufsverboten belegt werden. Die Namen der Verantwortlichen und der Kanzleien werden öffentlich gemacht – ein Reputationsschaden, der oft schwerer wiegt als die finanzielle Strafe.
Die AMLR sieht außerdem verlängerte Verjährungsfristen vor, wodurch Verstöße auch Jahre nach ihrer Begehung noch verfolgt werden können. Bei fortgesetzten Handlungen beginnt die Frist erst mit dem letzten Verstoß zu laufen. Für die Praxis bedeutet dies, dass Dokumentationen über lange Zeiträume aufbewahrt werden müssen – bei Hochrisiko-Mandanten gelten dabei noch längere Aufbewahrungsfristen.
Mit der AMLA entsteht erstmals eine europäische Aufsichtsbehörde für die Geldwäscheprävention. Die Behörde wird zu einer Art "EZB der Geldwäschebekämpfung".
Die AMLA übernimmt drei Kernfunktionen: Sie beaufsichtigt direkt die risikoreichsten Finanzinstitute der EU. Sie koordiniert und harmonisiert die Arbeit der nationalen Aufsichtsbehörden. Und sie wirkt als Kompetenzzentrum, das Standards setzt, Leitlinien entwickelt und Best Practices verbreitet.
Für Steuerberater ergeben sich zunächst vor allem indirekte Auswirkungen. Die AMLA übernimmt nicht die direkte Aufsicht über den Berufsstand, sondern wirkt über die national zuständigen Stellen in Deutschland also über die Steuerberaterkammern, die Wirtschaftsprüferkammer und letztlich das Bundesfinanzministerium. Gleichwohl wird die AMLA künftig Standards setzen, die von den nationalen Aufsichten verbindlich umzusetzen sind. Damit endet die bisherige Praxis, dass jede nationale Behörde eigene Schwerpunkte und Interpretationen verfolgte: Künftig gilt ein einheitlicher europäischer Maßstab.
Die AMLA erhält weitreichende Befugnisse. Sie kann unangekündigte Prüfungen durchführen, hat Zugriff auf alle relevanten Datenbanken und kann bei Verstößen direkte Anweisungen erteilen. Besonders brisant: Die AMLA wird ein EU-weites Register führen, in dem alle Verstöße und Sanktionen erfasst werden. Wer einmal auffällig geworden ist, steht unter verschärfter Beobachtung.
Selbstverwaltungskörperschaften wie die Steuerberaterkammern der Länder oder die Wirtschaftsprüferkammer stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits müssen sie ihre Mitglieder bei der Umsetzung unterstützen, andererseits geraten sie zunehmend selbst in den Blick regulatorischer Aufsicht.
Ihre Rolle wird darin bestehen, Vorlagen, Leitfäden und praxisnahe Schulungsangebote bereitzustellen, die es gerade kleinen Kanzleien ermöglichen, die Anforderungen ohne unverhältnis-mäßigen Aufwand zu erfüllen. Gleichzeitig müssen diese Verbände eine Mindset-Änderung fördern: AML ist kein Nebenthema, sondern ein integraler Bestandteil der beruflichen Verantwortung.
Die Umsetzung der neuen Anforderungen gleicht einem Marathonlauf, bei dem das Ziel klar, der Weg aber lang und etappenweise anstrengend ist. Kanzleien stehen vor der Herausforderung, ihre gesamte Organisation zu durchleuchten und neu auszurichten.
Der erste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wo stehen wir heute? Welche Prozesse existieren bereits? Wo sind die Lücken? Diese "Gap-Analyse" sollte im Idealfall nicht intern erfolgen, sondern durch externe Spezialisten, die den Blick von außen mitbringen und keiner Betriebsblindheit ausgesetzt sind. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Kanzleien ihre AML-Reife überschätzen.
Auf Basis der GAP-Analyse folgt die Strategieentwicklung. Welche Technologien benötigen wir? Welche Personen müssen eingestellt oder umgeschult werden? Wie organisieren wir die neue Governance?
Die Antworten sind individuell, aber der Prozess folgt einer klaren Logik: erst die Strategie, dann die Struktur, danach die Systeme.
Die Technologieauswahl ist kritisch. Der Markt für AML-Software ist unübersichtlich, die Anbieter versprechen viel, die Realität bleibt leider oft ernüchternd. Kanzleien sollten auf integrierte Lösungen setzen, die alle Aspekte abdecken: Identitätsprüfung, Sanktionslistenabgleich, PEP-Screening, Transaktionsmonitoring und Case Management. Insellösungen führen zu Medienbrüchen und erhöhen das Fehlerrisiko.
Kontextbezogene Schulungen für Mitarbeitende dürfen nicht unterschätzt werden. Die AMLR fordert nachweisbare Schulungen für alle Mitarbeitenden, die mit Mandanten in Kontakt kommen. Das bedeutet: Nicht nur die Partner und Senior Manager, sondern auch die Assistenz und der Nachwuchs müssen geschult werden. Die Schulungen müssen dokumentiert, regelmäßig wiederholt und auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Die Zeit bis zum Inkrafttreten der AMLR im Juli 2027 ist knapp bemessen. Realistisch betrachtet bleibt Kanzleien nur ein Zeitraum von etwa zwei Jahren, um ihre Strukturen zu analysieren, anzupassen und zu erproben. Wer zu spät beginnt, läuft Gefahr, 2027 von einer Flut an Anforderungen überrollt zu werden.
Ein sinnvoller Fahrplan könnte wie folgt aussehen:
Bei aller Komplexität und allem Aufwand – die neuen AML-Regeln bieten auch Chancen. Kanzleien, die früh und professionell agieren, können sich als vertrauenswürdige Partner positionieren.
Compliance wird zum Qualitätsmerkmal. Mandanten, insbesondere internationale Unternehmen, erwarten von ihren Beratern höchste Standards. Wer nachweisen kann, dass er die AML-Anforderungen nicht nur erfüllt, sondern übertrifft, hat einen Wettbewerbsvorteil.
Neue Beratungsfelder entstehen. Die Komplexität der Regelungen schafft Beratungsbedarf. Unternehmen benötigen Unterstützung bei der Umsetzung ihrer eigenen AML-Pflichten. Steuerberater, die hier Kompetenz aufbauen, können zusätzliche Mandate generieren. AML-Beratung entwickelt sich zu einem eigenständigen Geschäftsfeld mit attraktiven Margen.
Die Digitalisierung wird beschleunigt. Die AML-Anforderungen zwingen Kanzleien, ihre Prozesse zu digitalisieren. Was als regulatorische Pflicht beginnt, wird zum Katalysator für die ggf. überfällige Modernisierung. Digitale Akten, automatisierte Workflows, KI-gestützte Analysen – all das wird durch diesen neuen AML-Fokus getriggert, nutzt aber der gesamten Kanzlei.
Die AMLR ist kein europäischer Alleingang, sondern Teil eines globalen Trends. Die Financial Action Task Force (FATF) setzt weltweite Standards, die USA haben mit dem Corporate Transparency Act nachgezogen, und selbst traditionelle Offshore-Zentren wie die Cayman Islands oder Jersey verschärfen ihre Regeln.
Für Kanzleien mit internationalen Mandanten oder Netzwerken bedeutet dies: Die Anforderungen konvergieren. Wer die AMLR erfüllt, ist auch für andere Jurisdiktionen gut aufgestellt. Gleichzeitig steigt der Koordinationsaufwand. Bei grenzüberschreitenden Strukturen müssen mehrere Regelwerke beachtet werden, die sich in Details unterscheiden können.
Besonders herausfordernd wird der Umgang mit Drittstaaten. Die EU führt eine Liste von Hochrisikoländern, die ständig aktualisiert wird. Derzeit umfasst diese Liste 27 Länder (Stand 22. Juli 2025). Mandate mit Bezug zu diesen Ländern unterliegen automatisch der verschärften Sorgfaltspflicht.
Die AMLR sieht zudem Äquivalenzverfahren vor. Drittstaaten können anerkennen lassen, dass ihre AML-Standards denen der EU entsprechen. Für Kanzleien würde dies die Arbeit erleichtern, da sie sich auf die Prüfungen der dortigen Kollegen verlassen könnten.
Bei aller Technologie und allen Prozessen – am Ende entscheidet der Mensch über Erfolg oder Misserfolg der AML-Compliance. Die AMLR verlangt einen Kulturwandel in den Kanzleien, weil sie erkannt hat: Keine Software kann ersetzen, wozu nur Menschen in der Lage sind – kritisch denken, Muster erkennen, die richtigen Fragen stellen.
Geldwäscheprävention darf nicht als lästige Pflicht gesehen werden, sondern ist integraler Bestandteil professioneller Beratung. Dies erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Die Partner müssen vorleben, dass Compliance ernst genommen wird. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, warum die Maßnahmen notwendig sind. Und die Mandanten müssen akzeptieren, dass das Erheben bestimmter Informationen obligatorisch ist.
Die Verordnung macht demnach unmissverständlich klar: Compliance durchdringt die gesamte Organisation. Jeder Mitarbeitende wird zum potenziellen Gatekeeper, jede Mandatsannahme zur Risikoentscheidung. Diese Erwartung ist Ausdruck einer simplen Erkenntnis: Geldwäscher sind kreativ und nutzen menschliche Schwächen aus. Ein müder Anwalt, der kurz vor Feierabend noch schnell ein Mandat annimmt. Eine überlastete Assistenz, die Warnhinweise übersieht. Ein Partner, der bei einem langjährigen Mandanten beide Augen zudrückt. Das sind die Einfallstore, die keine Technologie schließen kann.
Die Herausforderung liegt in der Balance. Zu viel Misstrauen zerstört die Vertrauensbasis zwischen Berater und Mandant. Zu wenig Sorgfalt gefährdet die Kanzlei. Der Schlüssel liegt in der professionellen Kommunikation. Steuerberater müssen erklären können, warum sie bestimmte Fragen stellen, welche Dokumente sie benötigen und wie sie mit den Informationen umgehen.
Der geforderte Kulturwandel bedeutet konkret: eine Organisation, in der Bedenken geäußert werden dürfen – und müssen. In der das Hinterfragen von Transaktionen nicht als Misstrauen, sondern als Professionalität gilt. Dieser Wandel kämpft gegen jahrzehntealte Kanzleitraditionen an: die Kultur der Verschwiegenheit, das Primat der Mandanteninteressen, die hierarchischen Strukturen.
Doch die AMLR lässt keinen Spielraum: Wer den Menschen als tragenden Faktor der Compliance nicht ernst nimmt, wird scheitern. Denn am Ende sitzt immer ein Mensch vor dem Bildschirm, der entscheidet: Melde ich diesen Verdacht, oder lasse ich es durchgehen? Die Antwort auf diese Frage entscheidet über mehr als nur regulatorische Konformität – sie definiert die professionelle Integrität der gesamten Kanzlei.
Die AMLR markiert nicht das Ende, sondern den Anfang einer Entwicklung. Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, dass weitere Verschärfungen folgen werden, sollten die Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen.
Absehbar ist die Ausweitung auf weitere Branchen. Unternehmens-berater, Headhunter, Marketing-Agenturen – sie alle könnten in die nächste Regulierungswelle einbezogen werden. Die Begründung liegt auf der Hand: Auch diese Dienstleister haben Einblick in Unternehmensstrukturen und Geldflüsse.
Die Technologie wird eine noch größere Rolle spielen. Blockchain-basierte Identitätssysteme, KI-gestützte Verhaltensanalysen, quantencomputerbasierte Mustererkennung – die Zukunft der Geldwäschebekämpfung ist digital. Kanzleien, die heute in Technologie investieren, legen den Grundstein für morgen.
Gleichzeitig wird die internationale Koordination intensiviert. Die FATF arbeitet an globalen Standards für virtuelle Vermögenswerte. Die UN diskutiert über ein weltweites Beneficial-Ownership-Register. Die G20 drängt auf automatischen Informationsaustausch auch bei Unternehmensstrukturen. Die Welt wird transparenter – ob es den Akteuren gefällt oder nicht.
Die neuen EU-AML-Regeln stellen Steuerberater vor die größte regulatorische Herausforderung seit Einführung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Die Anforderungen sind komplex, die Umsetzung ist aufwendig, die Risiken bei Verstößen können durchaus existenzbedrohend sein.
Doch wer die Herausforderung annimmt, kann gestärkt daraus hervorgehen. Professionelle AML-Compliance wird zum Qualitätsmerkmal, das Vertrauen schafft und neue Geschäftsfelder eröffnet. Die erzwungene Digitalisierung modernisiert die Kanzleien und macht sie fit für die Zukunft. Die klaren Standards schaffen Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt im frühen Start. Wer erst 2027 beginnt, wird scheitern. Wer jetzt handelt, hat Zeit für einen geordneten Übergang. Die Roadmap ist klar: Analyse, Planung, Aufbau, Test, Optimierung. Die Ressourcen sind verfügbar: Berater, Software, Schulungen. Was fehlt, ist oft nur der Mut, den ersten Schritt zu tun.
Die Geldwäschebekämpfung ist keine Aufgabe, die man delegieren oder aussitzen kann. Sie ist eine gesellschaftliche Verantwortung, die jeden Akteur im Wirtschaftsleben betrifft. Steuerberater stehen dabei in der ersten Reihe. Sie sind die Gatekeeper, die den Zugang zum Finanzsystem kontrollieren. Diese Rolle bringt Pflichten mit sich – aber auch die Chance, einen Beitrag zu einer faireren und sichereren Wirtschaftsordnung zu leisten.
Die Zeit des Zögerns ist vorbei. Die AMLR kommt, unabhängig davon, ob man darauf vorbereitet ist oder nicht. Die Frage ist nicht ob, sondern wie man sich darauf einstellt. Diejenigen, die jetzt handeln, werden 2027 zu den Gewinnern gehören. Diejenigen, die warten, werden von der Realität überrollt. Die Wahl liegt bei jedem einzelnen – aber die Konsequenzen trägt die gesamte Branche.